Boygenius Live im Kölner Palladium: Ein Raum der Sicherheit und Empowerment

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Am 16. August versammelten sich begeisterte Konzertbesucher im Kölner Palladium, um einen Abend voll mitreißender Musik von Boygenius zu erleben. Boygenius ist alles andere als eine gewöhnliche Boyband, im Gegenteil. Der ironische Seitenhieb in ihrem Bandnamen stammt von drei Musikerinnen, die sich zu einer Supergroup zusammengeschlossen haben. An diesem Abend gaben sie ihr zweites Konzert in Deutschland.

Bevor jedoch die Hauptattraktion die Bühne betrat, heizte die talentierte Vorband MUNA mit einer beeindruckenden Setlist die Stimmung ordentlich auf. MUNA, eine gefeierte Indie-Pop-Dreiergruppe aus Los Angeles, betrachtet sich als die beste Band der Welt. Zumindest ist das die Botschaft, die sie mit ihrem selbstbewussten Auftreten, ihren sprühenden Songs und ihrer unermüdlichen Hingabe an das Erschaffen und Performen vermitteln möchten. Der Abend begann mit “What I Want”, einem Song, der die Bühne für den aufregenden Abend bereitete. Dieser energiegeladene Opener entführte das Publikum in die Welt von MUNA und ließ die Vorfreude auf das Kommende spürbar werden. Der Höhepunkt des Abends war zweifellos “I Know a Place”, ein Song, der die Botschaft von Akzeptanz und Zusammengehörigkeit vermittelte. Das Publikum sang leidenschaftlich mit, und die Band schuf eine Atmosphäre der Einheit und Positivität. MUNA heizte dem Publikum ein, und alle waren sich einig: Wenn die drei Musikerinnen auf Headliner-Tour gehen, bin ich dabei. Doch die Spannung stieg, als alle auf Boygenius warteten.

Der rockige Klassiker “The Boys Are Back in Town” von Thin Lizzy erklang im Hintergrund, als Boygenius die Bühne des Kölner Palladiums betraten. Eine gelungene Einführung, denn die “Boys”, die an diesem Sommerabend in Köln unterwegs waren, sind eigentlich “Girls”: Phoebe Bridgers (28), Julien Baker (27) und Lucy Dacus (27). Schon in ihrem halb-ironischen Bandnamen Boygenius spielt das amerikanische Indie-Rock-Trio auf einen Geniekult an, der oft nur Männern zugeschrieben wird. Daher bringen die drei Musikerinnen mit ihrer siegessicheren Attitüde den Vibe von selbstbewussten Jungs mit auf die Bühne.

Während das Trio sich noch im Backstage-Bereich befand, brach im Publikum vor der großen Bühne begeistertes Geschrei aus. Bridgers, Baker und Dacus wurden bereits sichtbar: Live-Bilder aus dem Backstage-Bereich wurden auf die Leinwand des Palladiums projiziert, während die drei Musikerinnen a cappella mit “Without You Without Them” begannen. Bereits hier beeindruckte die warme Harmonie ihrer drei Stimmen, die einander ergänzten und miteinander verschmolzen (Dacus hatte die dunkelste Stimme). In gewisser Weise erinnerte es an den harmonischen Gesang von Simon & Garfunkel, jedoch in einer dynamischen Dreier-Formation, inklusive Anklänge an den Song “The Boxer”. Die Musik der Musikerinnen drang direkt ins Herz der Zuhörer.

Der Klang war kristallklar und kraftvoll, da alle drei Musikerinnen nicht nur gleichberechtigt nebeneinander am vorderen Bühnenrand sangen, sondern jede von ihnen auch Gitarre spielte. Unterstützt wurden sie von vier weiteren Musikerinnen, die auf verschiedenen Podesten hinter ihnen standen und dadurch gut sichtbar waren.

Die neue Supergroup aus den USA begrüßte das Publikum nach den ersten Liedern mit den Worten: “Wir sind zum ersten Mal hier – es rockt!” Diese Freude und die unglaubliche Textsicherheit seitens der Fans spiegelten sich in der Atmosphäre wider.

Die Lieder von Boygenius handeln von Liebe, toxischen Beziehungen und Verletzlichkeit. Oft sangen sie dreistimmig oder wechselten sich mit den Strophen ab. Die Art und Weise, wie ihre Stimmen einander ergänzten, erzeugte mehr als einmal Gänsehaut. Trotzdem waren die drei Musikerinnen äußerst achtsam und verloren nie den Kontakt zu ihren Fans. Mehrmals unterbrachen sie den Song, um Menschen im stickigen Raum zu helfen. Wasserflaschen wurden gereicht, und der unterbrochene Song wurde kurz darauf fortgesetzt. Die Atmosphäre im Saal war liebevoll und dennoch ausgelassen. Ein Gefühl der Sicherheit breitete sich aus, was bei Konzerten dieser Größenordnung keineswegs selbstverständlich ist.

Kurz vor dem Ende des gut einstündigen Konzerts sagte Sängerin Phoebe Bridgers, dass sich alle drei Musikerinnen während ihrer Solotouren nie so wohl und bei sich gefühlt hätten wie auf dieser gemeinsamen Tour. Dies ist vielleicht auch ihre wichtigste Botschaft: Frauen sollten sich verbünden, anstatt zu konkurrieren, besonders in Branchen, die oft von Männern dominiert werden.

Die Lieder von Boygenius, die auch offen von queerer Liebe erzählen, sind introspektiv und treffen dennoch den Nerv vieler junger Menschen, was Verbindung schafft. Ihre beeindruckende Show wurde von den drei Musikerinnen mit ihren eindringlich berührenden Stimmen und Gitarrenspiel (geschicktes Fingerpicking!) sowie von ihrer Begleitband (Schlagzeug, Bass, Keyboards, manchmal Trompete) auf der anderthalb Etagen umfassenden Bühne geboten! Sie spielten Songs von ihrer Debüt-EP “Boygenius” aus dem Jahr 2018, von ihrem Debütalbum “The Record” aus dem Jahr 2023 sowie drei Solostücke der einzelnen Künstlerinnen. Durchweg hinterließen sie den starken Eindruck: Sie sind ziemlich beste Freundinnen, die sich gegenseitig Mut zusprachen und Kraft schenkten. Diese Energie floss über ihre Lieder zu den Menschen, die sie hörten.

Ob nun Boys oder Girls, Generation TikTok oder Generation Laurel Canyon: Letztendlich erreichte Boygenius mit ihren Liedern wirklich alle. Denn obwohl sie im digitalen Raum groß geworden sind, fühlen sich diese drei Musikerinnen auch im analogen Sinne sehr authentisch und überwältigend an. Zum Abschluss wagte Phoebe Bridgers sogar einen Stagedive. Und in den vorderen Reihen waren alle wieder auf den Beinen: Hier wurde niemand zurückgelassen.